Kennst du das? Ein Meeting voller kluger Köpfe, aber die Diskussion dreht sich im Kreis. Alle reden, niemand schreibt etwas auf, und am Ende haben die hierarchisch Wichtigsten im Raum viel gesprochen und es wurde kaum etwas entschieden. Warum? Weil niemand sich traut, einen ersten konkreten Vorschlag zu platzieren - den Elefanten auf den Sitzungstisch zu stellen.
Es ist, als ob alle Angst hätten, sich zu "outen". Bloss nicht der oder die Erste sein, die etwas Konkretes auf den Tisch legt. Lieber noch eine Runde diskutieren. Und noch eine. Doch genau da liegt das Problem: Ohne ein erstes Konzept, einen ersten Draft, gibt es keine Basis, um effizient eine Herausforderung anzugehen und konkret ins Doing zu kommen.
Dabei muss/darf ein erster Entwurf gar nicht perfekt sein - deshalb nennen wir ihn bei dot liebevoll: Motzvorlage. Es soll gemeinsam kritisiert und verbessert werden. An einer Motzvorlage kann ich mich orientieren, wir dürfen sie in der Diskussion feilen, weiterentwickeln oder auch komplett verwerfen. Sie gibt der Diskussion eine Richtung und verhindert endloses Herumreden ohne Ergebnis. Auch das kennen wir: heisse politisch korrekte Luft wird kubikliterweise verströmt, wenn nur verbal artikulierte Ideen im Raum sind und Keiner moderiert. Sobald jemand ein paar Sätze hinschreibt – egal wie unausgereift – verändert sich die Dynamik im Raum. Plötzlich gibt es etwas Greifbares. Etwas, an dem man sich reiben kann. Und genau dadurch wird die Idee besser.
Eine interessante Beobachtung ist auch, dass politisch Versierte einen Draft oft verpönen oder ihn einfach ignorieren, ohne selber einen greifbaren Gegenvorschlag zu machen. Dabei ist es völlig egal, ob der erste Vorschlag am Ende auf den Kopf gestellt wird und welche Person ihn in den Raum bringt. Denn darum geht es nicht. Wer den Mut fasst, eine Motzvorlage ans nächste Meeting oder in den nächsten Chat zu bringen, muss sich unter Umständen also etwas durchsetzen. Ein Disclaimer könnte hier helfen, zum Beispiel "der Draft ist alles andere als perfekt - er dient dem alleinigen Zweck, mit euch zusammen einen besseren Entwurf zu erstellen". Humble bleiben.
Man könnte sich vom Bestseller Bird by Bird: Some Instructions on Writing and Life (Anne Lamott) - insbesondere vom Kapitel "Shitty first drafts" inspirieren lassen.
Auch ein guter Ansatz für ein klassisches (Kommunikations-)Konzept bietet ASZZBOSMBTE. Die etwas holprige Abkürzung habe ich während meiner Public Relations Ausbildung vor etwa 20 Jahren auswendig gelernt, und sie ist - meist abgekürzt - immer wieder im Einsatz und hilft, Struktur in einen Draft zu bringen.
Ansonsten tut's auch ein Prompt z.B. in Chat GPT oder in einem firmeneigenen KI-Modell. Hierzu ein Beispiel (mit Augenzwinkern). Es darf gerne kopiert werden:
"Agiere als Prompt-Engineer für mich, damit ich ein gutes Konzept [eine gute Gesprächsgrundlage / einen guten Projektplan / eine gute Roadmap] im Bereich [] erstellen kann. Du hast zum Ziel, mir zu helfen, gute Prompts für dich zu schreiben. Den Prompt, den du schreibst, nutzt du später, um die perfekte Ausgabe zu generieren. Damit dies gelingt, wird deine erste Frage sein, worum es im Prompt gehen soll, ich gebe dir eine erste Antwort, werde mich und uns aber durch kontinuierliche Iteration verbessern, indem wir zusammen die nächsten Schritte durchlaufen. Dabei stellst du mir Fragen, damit ich die Prompts verbessern kann und du machst auch Vorschläge. Bitte wiederhole den Auftrag, damit wir loslegen können."
In unserer internen Arbeit, aber auch bei vielen unserer Kunden hilft der Draft [die Motzvorlage] auf jeden Fall - die Vorbereitungszeit ist allerdings knapp zu halten - denn oft dient er "nur" als guter Startpunkt. Als Coaches erleben wir es oft, dass wir diejenigen sind, die unseren Kunden schriftliche Diskussionsgrundlagen unterbreiten - einerseits weil es von uns erwartet wird, wir geübter darin und daher unverwundbarer sind und andererseits, weil in vielen Unternehmen eine Kultur des "bloss nicht in die Nesseln setzen" vorherrscht.
Wir empfehlen diesen - notabene äusserst agilen iterativen Ansatz - also erst ein paar Mal im psychologisch sicheren Kreis zu üben, zum Beispiel im engsten Team oder bei einem nicht ganz so wichtigen Thema. Wichtig ist, dass der Draft schriftlich erfolgt - das bindet und provoziert deutlich stärker und führt daher öfter zum gewünschten Resultat: Ein paar (konkrete) Schritte weiter zu kommen.
Den Oldschool Weg (Plan A) bevorzugen wir - zumindest die ersten paar Male. Man lernt schon viel während des Prozesses des Selbstverfassens und es hilft, dass man sich nicht hinter einer Künstlichen Intelligenz verstecken kann.