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dot.kunden - Muss die Geschäftsleitung ein Team sein?

Geschrieben von David Berger | 02. Juli 2025

Bekanntlich begleiten wir auch Führungsteams. Führungsteams steuern, koordinieren und vernetzen die übrigen Teams eines Unternehmens. In diesem Blog möchte ich beantworten, warum deine Geschäftsleitung ein Team sein muss und was es sonst noch zu beachten gilt mit deiner Geschäftsleitung. 

Historisch sind Unternehmen nach Funktionen organisiert (funktionale Organisation). Ein Bereich kümmert sich um den Verkauf, ein anderer um den Einkauf, ein anderer wiederum um die Produktion. Die Vertretenden aller Bereiche sammeln sich in der Geschäftsleitung. Die Geschäftsleitung fungiert hier notgedrungen als Koordination gemäss Flight Level 2

Die Geschäftsleitung ist vor allem auch fachlich-funktional legitimiert. Die obersten Experten ihrer Bereiche vertreten ihre Interessen. Die Geschäftsleitung entspricht einem notwendigen Übel, wo sonst isolierte bishin "verfeindete" Gruppen sich verständigen müssen. In dieser Geschäftsleitung wird vor allem verhandelt und gelegentlich entschieden. 

Quelle: https://bonkersworld.net/organizational-charts

Wer führt in der Geschäftsleitung?

Die Mechanismen der Macht sind dabei undurchsichtig. Gelegentlich gewinnt der extern orientierte Bereich, also der Verkaufsbereich, weil er die meisten direkten Kundenkontakte ausweisen kann. Gelegentlich gewinnt die Produktion, weil sie die Komplexität der Herstellung überblickt und dadurch Mobilisierungsmacht besitzt. Gelegentlich setzt auch bloss der Zufall sich durch. 

Eine Geschäftsordnung, wie beispielsweise in der Politik üblich, regelt das Miteinander und die Entscheidungsfindung einer solchen funktional organisierten Geschäftsleitung. Sie definiert, wie Traktanden durch die Bürokratie sich schlängeln und welche Fristen hierzu respektiert werden müssen. 

Diese Formalismen können abgekürzt werden, wenn eindeutig eine Rolle die Führung übernimmt. Typischerweise ist es die CEO-Rolle. Diese Rolle konzentriert die Macht; sie kann die Ambitionen von Funktionen wie Vertrieb oder Produktion mässigen respektive regulieren. Allerdings ist eine solche Geschäftsleitung vollständig der Laune und Fähigkeit der CEO-Rolle ausgesetzt; hustet die CEO-Rolle, erkrankt die gesamte Geschäftsleitung. 

Eine Geschäftsleitung ist kein blosses Gremium

Wesentlich robuster als eine auf die CEO-Rolle zentralisierte oder nach Funktionen organisierte ist eine dynamisch machtbalancierte Geschäftsleitung, wo Koalitionen gemäss einer gemeinsam erarbeiteten Strategie spontan sich ergeben können. Weil die Geschäftsleitung dasselbe Ziel teilt. Jede Organisation verfolgt einen Zweck. Sei es nur, den Wohlstand der Eigentümerschaft zu mehren. Weil die Ziele gegeben sind, könnte die Geschäftsleitung ja gemeinsam - als Team - diese umsetzen. Entscheidungen müssen dann nicht ausgehandelt werden, sondern können direkt abgeleitet werden. 

Das bedingt eine Geschäftsleitung, die einerseits den Zielen der Organisationen verpflichtet ist, andererseits in allen Überlegungen stets alle betroffenen Bereiche berücksichtigt. Vor allem zweiteres ist erstmals kontraintuitiv, weil man als Führungskraft erzogen ist, ebengerade die Interessen der eigenen Gefolgschaft zu verteidigen - notfalls auch mit der Taktik der "verbrannten Erde". 

Funktionen überwinden?

Die Geschäftsleitung hat ja ihre funktionale Herkunft. Der Vertrieb ist mit einer Vetriebsleitung repräsentiert, die Produktion mit einer Produktionsleitung. Um das gemeinsame Verständnis und schliesslich Ausrichtung zu erhöhen, könnten diese Funktionen auch rotieren. Erfolgreiche Unternehmen schwören auf die Rotation kritischer Funktionen. Eine rotierende Geschäftsleitung, die ihre Funktionen alle zwölf Monate wechselt, ist die beste Medizin gegen Silobildung.

Die schlechtestmögliche Geschäftsleitung

Die schlechtestmögliche Geschäftsleitung hat keine gemeinsame Zeit - ausgenommen einer wöchentlichen Satzung. Sie kommuniziert lediglich über bürokratisierte Traktanden. Eben alle kämpfen für ihre Bereiche. Alle haben ihre eigenen strategischen Ziele. Sie organisieren ihre Bereiche auch mit einem eigenen Führungssystem. Sie können sich lediglich auf ein gemeinsames Lohnmodell verständigen - das sie aber individuell auslegen. 

Weder koordinieren noch kooperiert diese Geschäftsleitung. Die Luft ist dünn. Die Geschäftsleitung verschanzt sich zunehmend innerhalb und auch ausserhalb. Stattdessen operiert sie hyperaktiv. Sie zieht alle möglichen Traktanden an, lähmt dadurch die agile Organisation in ihrer Entfaltung und Durchsetzung. 

Die Geschäftsleitung braucht Zeit (auch für gruppendynamische Prozesse)

Die Geschäftsleitung ist also weder Gremium noch Tagsatzung, die in lockerer Periodizität zusammentrifft. Die Geschäftsleitung erarbeitet gemeinsam, diskutiert gemeinsam und entscheidet gemeinsam. Typischerweise erwartet man von einer Geschäftsleitung, dass sie sofort funktioniert - sie wird kaum von den Mitarbeitenden oder von der Öffentlichkeit geschont. Das mindert die Bereitschaft, in gewisse gruppendynamische Prozesse zu investieren. Die Erfahrung belegt, je höher die Funktionsstufe, desto wichtiger werden gruppendynamische Themen - weil es längst nicht mehr um die Sache geht.

Die Geschäftsleitung muss demzufolge gezielt als Team gebildet werden. In einer Geschäftsleitung mit einem CEO ist das dessen Hauptaufgabe. Er muss die unterschiedlichen Interessen, Stärken und Schwächen der Geschäftsleitung situativ vereinigen, stärken oder abschwächen - schliesslich integrieren.

Eine grosse oder kleine Geschäftsleitung?

Nach der jüngsten "Fusion" in der schweizerischen Versicherungsbranche wurde auch die Grösse der neuen Geschäftsleitung bekanntgegeben. Ungefähr fünfzehn Menschen bilden die Geschäftsleitung des neuen Versicherungsriesen. Eine solche grosse Geschäftsleitung zerfällt automatisch in Partikularinteressen. Ein Team- oder Zusammengehörigkeitsgefühl kann sich niemals entwickeln. Demgegenüber steht ein lokales Rohrleitungsbauunternehmen, dessen Geschäftsleitung auf fünf Menschen beschränkt ist, die seit Jahren gemeinsam und erfolgreich die Firma führen. 

Eine grosse Geschäftsleitung bestätigt, dass man als Organisation unterschiedliche Interessen akzeptiert und sie nicht als Team austragen möchte. Eine kleine Geschäftsleitung hingegen zeigt, dass man sich auf einen gemeinsamen Nenner eingeschworen hat. Als optimale Grösse erachten wir fünf Personen, ein mögliche/möglicher CEO eingerechnet. 

Die Geschäftsleitung ist das Vorbild-Team

Ob gewollt oder nicht - die Geschäftsleitung dient als Vorbild für die gesamte Organisation. Wenn die Geschäftsleitung als Team nicht taugt, dann werden die einzelnen Teams unterhalb der Geschäftsleitung sich ebenfalls nicht zusammenraufen können. Sie mimen letztlich bloss die Geschäftsleitung nach. Die Geschäftsleitung muss das "beste" Team deiner Organisation sein. Insbesondere, weil alle Spannungen der Organisation sich immer und vor allem auch in der Geschäftsleitung entladen müssen.

Ist deine Geschäftsleitung das "schlechteste" Team - dann werden sich höchstwahrscheinlich alle Konflikte der Geschäftsleitung auch auf die Arbeitsebene auswirken. Bloss Leadership einzelner Mitarbeitenden, die dafür nicht bezahlt sind, können das Missmanagement deiner Geschäftsleitung relativieren. 

Anforderungen an die Rolle Geschäftsleitung

Nicht die fachliche Expertise qualifiziert jemand als Geschäftsleitung. Diese sollte nämlich bei den Mitarbeitenden ausgeprägt sein. Die Leitung einer Vertriebsorganisation ist kein ChefverkäuferIn. Stattdessen verantwortet die Geschäftsleitung, die unterschiedlichen Spannungen und Interessen innerhalb einer Organisation möglichst auszutarieren. Vielmehr sind Verhandlungsgeschick, Empathie, Integrationsfähigkeit und Diplomatie gefordert. Doch leider steigen in Organisationen selten Menschen auf, die ebendiese Eigenschaften kultivieren. 

Kann man mit einer Geschäftsleitung "arbeiten"?

Umso höher die Funktionsstufe, desto schwieriger ist die Arbeit "am System". Tendenziell sind Selbstkritik oder Selbstreflexion in einer Geschäftsleitung gering ausgeprägt. Schliesslich muss man sich ja "behaupten" oder "beweisen", oftmals mittels Aktionismus und Überzeit und einer vermeintlichen "Härte". 

Wir werden ausschliesslich von der CEO-Rolle mandatiert. Ansonsten ist man nicht legitimiert; der Prozess sofort bezweifelt. Die "Am-System-Arbeit" in einer Geschäftsleitung muss meistens "hierarchisch" angeordnet werden. Die Begleitung muss auch auf "Augenhöhe" erfolgen, also alterstechnisch, fachlich wie auch "kulturell". 

Auch wir haben immer wieder mit unterschiedlichen externen Begleitungen experimentiert, weil wir mindestens anerkannt haben, dass die Am-System-Arbeit wichtig ist. Den richtigen Partner für die Begleitung der Geschäftsleitung als Team zu finden, ist langwierig und herausfordernd. Und falls man eine Begleitung gefunden hat, nutzt sich diese auch nach zwei bis vier Jahren automatisch ab - und man muss allenfalls eine neue suchen. 

Wie können wir unterstützen?

Für uns sind Führungsteam ebenso Teams, die man entfalten kann. Wir haben hierzu etliche Werkzeuge entwickelt, um insbesondere Führungsteams zu analysieren.

Die gruppendynamischen Tests behalten wir aber im "Giftschrank" ;-). 

Unser Vorgehensmodell für die Teamentwicklung haben wir unten verlinkt.