dot.gastbeitrag - Darf es ein "bitzeli" Design Thinking sein?

Eliana Wüst
11. Oktober 2018

"Können wir ein wenig Design Thinking (DT) machen?"

Diese Frage wird mir in letzter Zeit häufig gestellt. Super, dass DT vielen ein Begriff ist. Die Frage nach "äs bizeli DT" lässt mich jeweils ein wenig zusammenzucken. Weshalb? 

Zur Erinnerung: Der Kerngedanke von Design Thinking

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DT setzt bei den Bedürfnissen der Kunden an. Wir versuchen, zu einer bestimmten Fragestellung (Challenge) herauszufinden, was der Kunde wirklich braucht. Erst wenn wir die Bedürfnisse genau kennen und wissen, wo der Schuh drückt, was die Leute bewegt, was sie toll finden, was eher nicht, welche Geschichten sie selbst schon erlebt haben; erst dann suchen wir nach möglichen Lösungen zu den Handlungsfeldern, die wir herausgeschält haben.

Wieviel ist denn "äs bizeli"?

Auf diese Frage erhalte ich meist die Antwort: "Wir haben da so ein paar Ideen, brauchen aber noch weitere. Wir wissen, was die Kunden wollen. Können wir einen Workshop machen? So max. 1 Tag, mehr Zeit haben wir nicht."

"Äs bizeli" = Einsteigen bei den Ideen – bringt nicht die besten Ergebnisse

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Direkt in die Phase der Ideengenerierung einzusteigen, hat streng genommen mit DT wenig zu tun. Das ist ein Kreativworkshop mit DT-Elementen. Ich nehme es gleich vorweg: Die Ergebnisse sind meistens eher oberflächlich, oftmals gar enttäuschend.

Weshalb ist das so?

In der ersten Phase des DT-Prozesses befassen wir uns intensiv mit dem Problem und all seinen Facetten. Wir ändern die Perspektive, lösen uns von dem, was wir meinen zu wissen, und versuchen, den tieferliegenden Bedürfnissen auf den Grund zu gehen. Was wir meinen zu wissen, stimmt manchmal überhaupt nicht. Aus diesem Forschungsmaterial (z. B. qualitativen Interviews) ergeben sich konkrete Handlungsfelder, welche die Basis für Lösungsideen sind. Fehlt diese Basis, ist es schwierig, zielgerichtete Ideen zu generieren. Die Ideen sind demzufolge generisch, wenig konkret und austauschbar. Ein solcher Einstieg ist ausserdem ein Kaltstart für die Teilnehmenden, die von Null auf Hundert kreativ sein sollen. Wenn ein Team den DT-Prozess inklusive Bedürfnisanalyse durchläuft, ist es zum Zeitpunkt der Brainstorming-Phase mental bereit dafür und fähig, in kürzester Zeit eine grosse Menge an konkreten Ideen zu generieren, welche auf die herausgearbeiteten Handlungsfelder einzahlen. Deshalb rate ich bei "äs bizeli" immer dazu, mindestens eine minimale Bedürfnisanalyse zu machen. Die dafür benötigte Zeit zahlt sich später im Prozess aus.

Und wenn es nicht anders möglich ist?

Wenn bereits einiges Material und Wissen vorhanden ist, ein Ideen-Workshop gut vorbereitet ist (gute Brainstorming-Fragen) und eine motivierte Gruppe von Leuten aus verschiedensten Bereichen zusammenkommen, dann ist es möglich, einige gute Ideen zu generieren. Ideen, die weiterverfolgt werden, müssen so schnell wie möglich bei Kunden anhand von einfachsten Prototypen getestet werden. Sonst ist das Risiko gross, ein Produkt, eine Dienstleistung oder eine IT-Lösung am Kunden vorbei zu entwickeln. Allerdings dürfen die Erwartungen bezüglich Ergebnissen aus solchen Ideen-Workshops nicht allzu hoch sein.

"Äs bizeli" = kein riesiges Projekt draus machen, aber alle Phasen von DT durchlaufen. Da jubelt mein Herz!

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DT heisst nicht immer, ein riesiges Projekt zu starten. DT ist skalierbar und lässt sich bei kleinsten bis grössten Fragestellungen anwenden. Wir müssen nicht zwingend das Rad neu erfinden wollen! In den Fachbereichen kann mit der Anwendung von DT ein Produkt oder eine Dienstleistung erweitert oder verbessert werden, ein Prozess benutzerfreundlicher gestaltet werden oder beispielsweise die Zusammenarbeit zwischen Teams verbessert werden. Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielseitig. Je nach Fragestellung und Rahmenbedingungen benötigt ein vollständiger DT-Prozess entsprechende Ressourcen. Wer jetzt aber glaubt, mit DT schneller voranzukommen, den muss ich leider enttäuschen: DT ist zwar effektiv und bringt gute, meist innovative und kundenzentrierte Ergebnisse - schneller als in normalen Projekten ist man damit jedoch nicht.

Besser "äs bizeli" als gar nicht.

Oftmals müssen wir innerhalb von Rahmenbedingungen und Vorgaben agieren. Dann es immer noch besser, "äs bizeli" kundenorientiert vorzugehen, als mit der Umsetzung eines Vorhabens zu starten, ohne die Kundenperspektive zu kennen. Mein Ratschlag – einfach mal starten.

Es einfach tun

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Gut, wenn "äs bizeli" DT hilft, damit wir kundenorientierter werden – noch besser, wenn ein ganzer DT-Prozess inklusive der notwendigen Iterationen durchlaufen werden kann. Wie erlebst du die Wünsche deiner DT Kunden?

Ich freue mich über deinen Kommentar!

Kommentare (2)

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