dot.tipps - Wie man eine Organisation mithilfe von Emails sabotiert

4 Minuten Lesezeit
09. Juli 2024
dot.tipps - Wie man eine Organisation mithilfe von Emails sabotiert
9:04

Dieser Blog ist sehr ironisch und eine kritische Einladung zur Selbstreflexion. Wir haften für keine Schäden an deiner Organisation. Bitte nutze die Empfehlungen nur für Forschungszwecke oder für feindlich gesinnte Organisationen. Und falls du kaum Email intern nutzt respektive den Titel nicht verstehst, kannst du diesen Blog einfach ignorieren. 

#1 Führe per Email

Du bist vermutlich eine motivierte Führungskraft. Du verstehst dich selber als zeitnaher Kommunikator. Du bist der Email-Manager, Head der Emails. Du bist bekannt für deine Emails. Alle deine Mitarbeitende warten bloss auf deine Emails, die sie orientieren und inspirieren. Sehr gerne versendest du auch Emails ausserhalb der regulären Arbeitszeit, um deinen Einsatz für die Organisation zu verdeutlichen - oder dass du einfach keine Freunde hast. 

#2 Nutze Email als Messenger

In deiner Whatsapp-Gruppe kommentierst du alle Blitzer, Fussball-Matches und sonstigen Nebensächlichkeiten, die dich beseelen. Dort kommunizierst du in kurzen, aber grammatikalisch abgewürgten Sätzen - meistens ohne Verb, manchmal mit einem coolen-uncoolen Gif. Nun bist du auch ein moderner Kommunikator, willst diesen Stil in die dürre Arbeitswelt transformieren. Du schreibst einzeilige Emails, beendest mit einem formatierten Zwinkersmiley - und bist ungeduldig, falls jemand nicht innerhalb von fünf Minuten antwortet. Um eine Antwort einzufordern, schiebst du einfach ein "?" vor. 

#3 Nutze Email als Verzögerung und Bedenkenäusserung

Eine Initiative läuft in deinem Unternehmen. Sie missfällt dir. Weil du die Auseinandersetzung aufm Felde scheust, gleichgültig weshalb, willst du die Initiative mindestens verzögern. Eine grosse Email, bei der man auch bei maximaler Auflösung scrollen muss, unterstützt dich. Dort sammelst du alle deine Bedenken. Du formatierst deine Email aufwändig, siehe #11 Formatiere Emails, du bündelst deine Argumente in Aufzählungen, du verweist innerhalb des Emails auf unterschiedliche Absätze. Deine Email ist ein Gesamtkunstwerk der Verzögerungstaktik. In einzelnen Nebensätzen streust du harmlose Bedenken, in andere schwerwiegende Einwände. Du verunmöglichst deinen Lesern, deine Kommentare überhaupt zu erfassen. Du blockierst deine Organisation, indem du eine Beantwortung as soon as possible bittest und in lockerer, aber entschiedener Periodizität mit einem Einzeiler - per Email wohlgemerkt - nachfragst, wie der Stand der Abklärungen seien, siehe auch #10 Reanimiere alte Email-Threads. 

#4 Nutze Email als "Teilen mit" 

Du möchtest im Team etwas teilen? Dann schreibe eine Email. Du möchtest deiner vorgesetzten Stelle auf eine Internetseite hinweisen? Dann nutze Email. Du möchtest die Zwischenergebnisse eines Arbeitsproduktes weiterleiten? Dann nutze Email. Alles kann mit Emails geteilt werden. Das verstopft schön den Posteingang. Für Anhänge berücksichtige bitte auch #5 Nutze Email als DMS.

#5 Nutze Emails als DMS

Deine Organisation hat ein DMS eigentlich - aber du willst agil sein. Daher versendest du alle deine Arbeitsprodukte konsequent per Email. So hat man stets die aktuelle Version. Falls jemand etwas bearbeitet, soll er einfach Datum und Kürzel an den Dateinamen anhängen - so hast du eine perfekte Nachvollziehbarkeit. Du überwachst den Fortschritt deines Arbeitsproduktes in deinem Email-Verlauf. Lediglich die serverseitige Einstellung der Dateimaximalgrösse begrenzt dich ein wenig. Das nebenläufige DMS verweigerst du, deinen Kollegen verweist du geflissentlich auf deine jeweiligen Email-Versionen. 

#6 Die Kunst der Postfach-Ordner

Du bist schon länger im Geschäft. Du kennst die Wichtigkeit der Emails, keine Email darf aufgrund der Aufbewahrungspflicht gelöscht werden. Du hast einen Zettelkasten gebaut, wo du alle deine Emails ablegen kannst. Mittlerweile säumen hunderte von Ordner dein Postfach. Du wägst bei jeder Email sorgfältig ab, in welchen Ordner du sie schieben musst. Du dokumentierst deine Ordnerstruktur in einem Excel, das du sinnigerweise auch als Email archiviert hast. Du investierst täglich mindestens eine Stunde, um deinen Posteingang zu säubern. Du bist gegen die Emailschwemme geschützt und wähnst dich superplusgut organisiert. 

#7 Zeige Betriebsamkeit mit CC-Emails

Du hast von einer vorgesetzten Stelle einen Auftrag - idealerweise per Email - erhalten. Stunden später hast du zwei Zigarettenpausen überstanden, weiterhin keine Fähigkeiten und Motivation für diese Aufgabe. Allmählich musst du Betriebsamkeit signalisieren, denn deine Organisation überwacht deine Mausbewegungen. Du schreibst eine unverbindliche Email, die nichts aussagt, nichts auffordert, eigentlich keinen Unterschied schafft, aber dich betriebsam zeichnet. Doch was nutzt Betriebsamkeit, wenn niemand sie anerkennt? Also kopierst du deinen Vorgesetzten ins CC. Du wirst der Mitarbeitende des Monats sein. 

#8 Drohe mit CC-Emails

CC-Emails können auch dein Machtbewusstsein ausdrücken. Mittels CC-Emails kannst du eine sogenannte Mobilisierungsmacht aussenden. Denn der GeCCte konnte nicht wählen, ob er im CC landet. Du hast dich durchgesetzt, du bestimmt, wer als CC gelistet wird. Je höher der soziale Rang einer CC-Person, desto bedrohlicher und wichtiger muss eine Email auf den eigentlichen Empfänger wirken. Eine Faustregel besagt, dass du mindestens deine vorgesetzte Stelle sowie automatisch die vorgesetzte Stelle des Empfängers berücksichtigen musst. In Matrix-Organisationen komplettierst du diese Faustregel dementsprechend - und beweist nicht nur Machtbewusstsein, sondern auch organisatorisches Taktgefühl. 

#9 Bilde konspirative Gruppen mit BCC-Emails

Jungs mögen konspirative Gruppen, Mädchen ebenfalls wohlgemerkt. Die Studentenverbindung verfällt, die alte Clique ist verlebt - immerhin hat man noch in der Organisation einige buddies. Diese bedient man mittels BCC-Emails. Du teilst Informationen heimlich. Wen du kürst, entscheidest du. Das simuliert ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das abgrenzt. 

#10 Reanimiere alte Email-Threads

Gewöhnlich veröden Email-Threads in irgendwelchen Postfächer. Aber nicht deine! Umso älter ein Thread, umso beflissener möchtest du eine Entscheidung wiedererwägen. Dadurch signalisierst du deinen Kollegen, dass du nichts vergisst, sehr gewissenhaft und verbindlich bist. Zudem kannst du damit deine Kollegen ärgern. Auch wenn deine Wiedererwägung aussichtslos ist, kannst du einige Kollegen mit deinem Thema ablenken und künstlich beschäftigen, schliesslich würden sie sich sonst bloss langweilen.

#11 Formatiere Emails

RFC 1855 gilt für dich nicht. Du hast einen Email-Client und gestaltest Emails wie sie dir gefallen. Du verwendest mindestens drei Farben. Aufzählungen und Nummerierungen lockern den Inhalt auf. Ebenso hast du eine aufwändige Signatur, die neben all deinen Social Media Accounts noch die wichtigsten Weisungen deiner Organisation enthält. Besonders hervorzuheben sind die Drucke-keine-Emails-Weisung, Schreibe-nicht-zuviele-Emails-Weisung sowie die Du-darfst-diese-Email-nur-lesen-wenn-sie-für-dich-bestimmt-ist-Weisung. 

#12 Delegiere einen Email-Verlauf an deine vorgesetzte Stelle

Du hast bereits verschiedene vorherige Tipps artigst befolgt, hast einen wunderschönen Email-Verlauf mit vielen "RE" und "AW" im Betreff erzeugt und die Diskussionen sind längst in einem Hasenloch verschollen - dann leitest du einfach alles weiter an deine vorgesetzte Stelle und bittest um eine Entscheidung. Deine vorgesetzte Stelle wird dadurch hoffentlich dreissig Minuten abgelenkt und kann diese Zeit nicht für Wichtiges und Dringliches deiner Organisation nutzen. 

#13 Beklage die Email-Flut per Email

Der ultimative boss move, insbesondere für aufstrebende Führungskräfte, ist die Email-Flut zu beklagen. Damit beweist man Weitläufigkeit und Reflektiertheit. Die allgemeine Email-Flut per Email zu beklagen, demonstriert auch deine Humorfähigkeit. Zweimal jährlich mahnst du, schlägst Ideen wie "Keine Emails am Freitag" vor und adelst Hoffnung als einziges Führungsprinzip. 

#14 Sabotiere deine Organisation per Email

Dir missfällt die Ausrichtung deiner Organisation? Du hast längst innerlich gekündigt? Die Konkurrenz hat dir jüngst etwas Verlockendes offeriert? Du hast noch unaufgelöste Beziehungskonflikte? Du bist einfach bloss hässig? Dann verwirklichst du alle diese Tipps. Allerdings musst du dich gedulden, es gibt noch manche Widerstandsnester, die Emails boykottieren. Konfrontiere sie einfach mit Emails, verweigere das persönliche Gespräch. 

Hast du noch weitere Tipps, wie man deine Organisation mittels Emails blockieren, bremsen, ruinieren oder einfach nur provozieren könnte? Die Kommentare sind geöffnet.

Keine Kommentare

Teile deine Meinung

Werde per Email über neue Blogs informiert