dot.coaching - Heldenhaft im Schlamassel trotz Wachstum

Désirée Jakubowitz
01. Februar 2024

Helden im Schlamassel: viel zu schnell gewachsen und jetzt dreht sich die Organisation im Kreis.

Kommt dir das bekannt vor? Irgendwann ist man mit ein paar Leuten gestartet und lebte von Moment zu Moment. Peng: grosser Kundenauftrag, Erfolg, viele Leute einstellen, kaum Zeit alles zu verdauen, Strukturen punktuell verbessern und mehr in die Organisation des Unternehmens investieren; dann: stillstand. Es liegt kein weiteres Wachstum drin, was vorher noch geflutscht hat, scheint jetzt zu stagnieren. Wie ich gelernt habe, ist dies die normale Entwicklungsgeschichte vieler erfolgreicher Start-ups und irgendwann kommt diese Helden-Organisation, welche zu Beginn noch sehr effizient war, in einem gewissen Entwicklungsstadium an ihre Grenzen.

Doch woran erkennt man Helden-Organisationen? Arbeitest du auch in einer solchen?

Die Helden-Organisationen bestehen aus ein paar Helden, die die Organisation aufrechterhalten. Sie kennen die Historie, die Kunden und Prozesse in- und auswendig mit all ihren Spezialitäten und ihr Wissen ist zentral, denn sie kennen das Geschäft wie keine andere Person und haben sehr effiziente Wege gefunden, Probleme zu lösen. Ausserdem sind sie diejenigen, die mit all ihrem Wissen stets die Extrameile gehen. Von ihnen wird gesagt sie seien die besten Pferde im Stall und wenn sie gingen, wäre die Firma zum Untergang verurteilt. Also sind sie die Helden, die die Firma weiterbringen und retten, wenn es Probleme gibt. Lange Zeit waren sie ein wichtiger Bestandteil der Organisation und ein wichtiger Treiber. Nun da die Organisation so stark gewachsen ist, ist ihr Dasein nicht mehr nur glorreich. 

Helden sind toll, doch was ist problematisch bei Unternehmen, die so funktionieren?

Eigentlich ist gar nichts problematisch, solange es funktioniert. Wenn die Firma jedoch weiterwächst, wird die Organisation ab einem gewissen Punkt anstehen, denn dann werden es die Helden nicht mehr schaffen alle Probleme alleine zu lösen. Dann zeigt sich, dass Wissen wirklich Macht ist und diese zentral verteilte Macht auf diese wenigen Köpfe führt zu einem Macht Vakuum. Das Heldenmodell skaliert nicht. Helden lassen sich nicht so einfach klonen. Logisch ist, dass die Abhängigkeit von diesen Personen an sich schon Risiken für das Unternehmen birgt, und wir dabei berechtigterweise "Angst vor dem Tram" haben müssen, unter welches diese geraten könnten. Wenn die Gesamtheit der Prozesse und Abläufe nur auf ein paar wenige Köpfe verteilt ist, entsteht eine Abhängigkeit, die das System verlangsamt. Was vorher effizient war, wird nun zum Bottleneck und die Organisation ist nicht fähig sich schnell genug an die sich rasch ändernde Anforderungen des Umfelds anzupassen oder auch die dadurch komplexeren Fragestellungen zu lösen.

Doch, wie lösen? Einen weiteren Helden oder Heldin dazunehmen, der/die das Problem löst?

Nun könnten sich die Prozessfreunde denken: wir stellen einen Qualitätsmanager oder eine Qualitätsmanagerin ein, dieser/diese schaut, dass die Prozesse niedergeschrieben und aktuell gehalten werden, und das Problem ist gelöst. Doch erinnern wir uns an folgende Aussage von P. Drucker und A.J. Chandler: “structure follows strategy, culture eats strategy (or everything) for breakfast.” Daraus lässt sich schliessen, dass wenn die Struktur unangetastet bleibt, sich nichts ändern lässt und auch die Kultur die Dinge wieder geradebiegen wird, wenn wir Lösungen versuchen, die nicht zum System passen. 

Nun beim Wissen anzusetzen und das Wissen der Helden abzubilden und weiterzugeben ist grundsätzlich ein guter Ansatz. Doch weshalb waren vergleichbare Ansätze der Wissensvermittlung bisher nicht erfolgreich? Weshalb wird ein Qualitätsmanager scheitern?

Weil die Kultur und die Unternehmensstrategie offenbar eine viel wichtigere Rolle spielen als angenommen und das Problem wie oben beschrieben als gesamtes System zu betrachten ist. Wenn wir also versuchen die durch die Helden-Organisation geschaffenen Probleme nur von der Prozessseite her anzugehen, ist dies zum Scheitern verurteilt, da wir uns lediglich auf die Symptombekämpfung konzentrieren. Das wahre Problem, weshalb das Wissen bei den Helden verbleibt, wird nicht analysiert bzw. identifiziert, denn das System selber ist bereits auf Helden trainiert und somit Teil des Problems.

Es geht nichts über eine vertiefte Analyse, um das Problem greifen zu können

Während ich vor Jahren noch gedacht habe, es ist recht einfach und logisch: wir müssen die Helden nur zum Knowhow-Transfer bringen, am besten mit einem Template und Führung, weiss ich heute, dass viel mehr dahintersteckt. Dass es Führung braucht, davon bin ich heute noch überzeugt, jedoch ist es wichtiger zu wissen, WOHIN geführt wird und WOZU bzw. zu welchem Ergebnis man kommen möchte. 

Zum einen fängt es schon dort an, dass wir bei der Analyse unseres Problems, wenn wir dies im üblichen Kreis der Verdächtigen machen, Gefahr laufen, den blinden Fleck zu übersehen oder uns nicht trauen den Elefanten im Raum anzusprechen. Dazu ist eine Aussensicht unabdingbar. 

Weiter helfen uns verschiedene Modelle wie zum Beispiel das Modell, welches mein Kollege Niklas Leicht in unserem Austausch über dieses Thema aus dem Hut zauberte. Es handelt sich um die Greiner Kurve von Larry F. Greiner, die uns hilft zu erkennen, dass eine Organisation im Wachstum an verschiedene Grenzen stösst, bevor sie in die nächste Phase eintauschen kann. Jede Phase beginnt mit einer Evolutionsperiode von stetigem Wachstum und Stabilität und endet mit einer revolutionären Periode der substanziellen Veränderung der Organisation. Beispielsweise startet das junge Unternehmen mit ein paar wenigen Köpfen, mit viel Kreativität und Tatendrang und steht an dem Punkt an, dass es nun Führung braucht. Die nächste Phase ist geprägt durch Ausrichtung, welche irgendwann darin mündet, dass mehr Freiheiten gefordert werden und die nächste Phase der geteilten Verantwortung einläutet usw. 

Typischerweise befinden sich Helden-Organisationen in den Phasen 1 und 2. Was das Modell aufzeigt als einer der wesentlichsten Punkte: Management-Probleme und -Prinzipien müssen sich an den aktuellen Herausforderungen orientieren und erfordern ein Gefühl für den richtigen Zeitpunkt, sonst führt der falsch gewählte Führungsansatz im falschen Moment zum falschen Ergebnis. So gesehen, ist situationsbedingter Führungsstil nach Hersey und Blanchard nicht nur auf ein Team zu verstehen, sondern auch auf die gesamte Organisation und der Phase, in welcher sie sich aktuell befindet. 

Greiner's Growth CurveGrafik: dot | Inspiration: Greiner's Growth Curve

Es zeigt also, dass wir die Helden-Organisation nicht negativ werten müssen, sondern dass es ganz natürlich ist, wenn wir im Rahmen der Reifung und des Wachstums der Organisation verschiedene Prozessphasen durchleben. Nach den jeweiligen Entwicklungsschritten stossen wir an Grenzen, die Krisen auslösen und somit neue Lösungsansätze verlangen. Krise als Chance und Indiz, dass wir reif sind für den nächsten Entwicklungsschritt. 

Um nicht in die Falle des blinden Flecks zu tappen, analysieren wir die Problemstellungen im Gespräch vertiefter und oft findet sich der vergrabene Hund an einem ganz anderen Ort. Was inhaltlich nicht egal ist, ist bezüglich der Weiterentwicklung der Firma egal. Wir müssen dort ansetzen wo es hakt und das ist manchmal nicht dort wo vermutet. 

Gemeinsam auf die Organisation abgestimmt Wirkung erzielen und zwar die Richtige

Einer oder Eine alleine kann diese Herausforderung nicht lösen und selbst wir als Expert:innen auf diesem Gebiet werden nicht die eine richtige Lösung aus dem Köcher ziehen können, wenn wir uns ernsthaft dafür interessieren, zu unterstützen. Unsere Superpower ist lediglich, die nüchterne Aussensicht einzubringen und, ohne Konsequenzen zu befürchten, bisher Unangetastetes anzugehen. Wir wissen, Veränderung tut auch etwas weh. Doch alleine ändern auch wir nicht ein laufendes System. Es ist Teamwork.

Wir werden also unser Prozessbegleitungsarsenal und unser Wissen ausbreiten und den begrabenen Hund zusammen mit den Teams ausbuddeln. Dabei entscheidet die Organisation, was für sie die passenden Instrumente sind. Die Ansätze gehen wir gerne ganz analytisch nüchtern an oder nehmen spielerische Ansätze aus dem Koffer wie das Moderieren von Delegation Poker aus dem Management 3.0 Set, wo wir spielerisch herausfinden, wer wo was entscheiden darf. Wie tickt die Organisation, wenn's um Entscheidungen geht? Wozu führt das? Können wir schnell genug entscheiden? Entscheiden wir dort wo was Wissen ist? 

Was passt finden wir gemeinsam heraus, ob mit oder ohne Heldinnen und Helden :-)

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